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BSZ-Serie “Bayerische Baustilkunde”

Bayerische Staatszeitung/Bauen – 19.8.2022
Vielseitig und schaffensfroh
Der Architekt Theodor Fischer war vielseitig und schaffensfroh

Dr. Kaija Voss, Ledigenheim, München

Die erste Zeilenbausiedung Deutschlands wurde in München erbaut. Es ist die Siedlung “Alte Heide”. In Anlehnung an die Gartenstadtbewegung entstand sie als “Gartenwohnpark” von 1919 bis 1928 im Münchner Norden. Architekt der frühen modernen Siedlung war Theodor Fischer. Zeilenbau, das bedeutet, die Gebäude parallel zueinander zu stellen, wie die vorgedruckten leeren Zeilen eines Schulhefts. Die Giebel der Häuser sollen sich klassischerweise nach Norden und Süden orientieren, die Wohnräume liegen im Westen wegen der Abendsonne, die Schlafräume und Bäder im Osten, wegen der Morgensonne. Durch die parallele Anordnung der Häuser wird eine natürliche Querlüftung erzielt. Ein durchdachtes und funktionales Konzept. Bauträger war eine “Gemeinnützige Baugesellschaft”, sie war 1918 von mehreren Münchner Unternehmen gegründet worden, darunter die Bayerische Motorenwerke A.G., die Löwenbräu A.G. und die Lokomotivfabrik Maffei.

Bayerische Staatszeitung/Bauen – 11.3.2022
Mitbegründer der Bayerischen Postbauschule
Der Architekt Robert Vorhoelzer und sein Wirken in München

Dr. Kaija Voss, Postgebäude, Harris, München

Weiße Gebäudeensembles, jedes von ihnen ein Paradebeispiel für Architektur der Klassischen Moderne, prägen wichtige Plätze Münchens: Am Goetheplatz steht ein Wohngebäude mit geschwungener Fassade und integriertem Postamt. Am Harras ein zweigeschossiges Postamt, links daneben ein Gebäude mit halbrundem Vorbau, dem ehemaligen “Stummen Postamt”. Hier waren früher Briefmarken- und Postkartenautomaten, heute eine Tanzschule. Das dahinterstehende Wohnhaus folgt in leichtem Schwung dem Verlauf der Plinganserstraße. Es hat ein flaches Dach und symbolisierte schon zu seiner Erbauung, dass es den Sprung ins 20. Jahrhundert geschafft hat.
Wäre es nach dem Architekten Robert Vorhoelzer gegangen, würde es am Harras sogar ein Hochhaus geben, ein Hotel mit Dachterrasse und Alpenblick.

Bayerische Staatszeitung/Bauen – 18.12.2020
Zeitgenössische Moderne und Dekonstruktivismus
Bayerische Baugeschichte: Bauen ab 2000

Dr. Kaija Voss, Herz-Jesu-Kirche, München

Der architektonische Aufbruch in das 21. Jahrhundert: Die Münchner Olympiabauten von 1972 waren Meilensteine auf dem Weg in die zeitgenössische Architektur. Nächste wichtige Glanzlichter der Baukunst entstanden in Bayern um 2000. Unter den ersten Beispielen ist das Neue Museum in Nürnberg, das Staatliche Museum für Kunst und Design. In der Nähe der historischen Stadtmauer gelegen, fügt es den Zeitgeist gelungen in die Altstadt Nürnbergs ein. Seine transparente Glasfassade reflektiert wie ein riesiger Spiegel die Umgebung, sie gewährt Einblicke und passt zur modernen Ausrichtung des Hauses.
Das Museum beherbergt im Wesentlichen zwei Sammlungen, zum einen internationale Kunst der Gegenwart aus dem Bestand der Stadt Nürnberg, zum anderen modernes Design aus der Neuen Sammlung München. Das Museum, 1999 fertiggestellt und im Frühjahr 2000 eröffnet, war der Auftakt zu neuer Baukultur . . .

Bayerische Staatszeitung/Bauen – 20.11.2020
Eine Stadt in der Stadt
Die Borstei – eine kultivierte Wohnsiedlung in München

Dr. Kaija Voss, Borstei, München

Wohl jeder kennt sie, zumindest vom Sehen: Fährt man in München den Mittleren Ring vom Olympiapark aus stadteinwärts, erhebt sich auf der rechten Seite ein langes dunkelgelbes Bauwerk. Ein beeindruckender geschlossener Komplex, vier Stockwerke hoch, mit Satteldach. Kaum vorbeigefahren, ist man schon im Landshuter-Allee-Tunnel und das Bauwerk – die Borstei – aus dem Blick. Doch lohnt es sich, einmal direkt in die Dachauer Straße und von hier in die Pickelstraße einzubiegen, um eine kleine Zeitreise in die Borstei zu unternehmen. Auf einem der Giebel steht: “Borstei – Die kultivierte Wohnsiedlung”.
Der Name der von 1924 bis 1929 erbauten und heute denkmalgeschützten Wohnanlage in München-Moosach geht auf ihren Begründer Bernhard Borst (1883–1963) zurück. Der in Offenburg geborene Architekt und Bauunternehmer wollte zunächst auf dem an der Dachauer Straße gelegenen Grundstück seinen Bauhof einrichten . . .

Bayerische Staatszeitung/Bauen – 4.9.2020
Verbeugung vor der Antike
Der Königsplatz in München: Was ihn besonders macht

Dr. Kaija Voss, Königsplatz, München

Kommt man von Westen, von der Nymphenburger Straße, sieht man als erstes die Propyläen. Ein klassizistisches Monument, ein Symbol für Großartigkeit und Glanz der Geschichte oder, wie es der Münchner Kunsthistoriker Norbert Lieb einst formulierte: „Ein Torbau von erhabener Zwecklosigkeit.“ Vorbild für die bayerische Variante des klassischen Stadttors sind die Propyläen der Athener Akropolis. Die Münchner Variante zeigt, neben der griechischen Antike, auch Anklänge an die massiven Pylonen ägyptischer Tempelfronten. Dahinter liegt der von zwei Museen gerahmte Königsplatz, ein antikes Forum in München. Die Anlage wurde einst von Kronprinz Ludwig, dem späterem König Ludwig I., veranlasst, um dem Betrachter den Genuss antiker Ästhetik und idealer Proportionen zu ermöglichen . . .

Bayerische Staatszeitung/Bauen – 29.5.2020
Die Postmoderne hält Einzug
Bayerische Baustilkunde: Die Architektur der 1960-er/1970er-Jahre

Dr. Kaija Voss, München, Olympiapark

Die geschwungenen Zeltdächer der Münchner Olympiabauten sind noch heute Wahrzeichen Münchens. Die Idee, sie als Unesco-Welterbe auszuweisen, wird aktuell diskutiert. Eine stilisierte Alpenlandschaft sollten sie darstellen, umgeben von “demokratischem Grün”, einer Parklandschaft für jeden, ohne Absperrungen und Zäune. Den Olympiapark konnte man bei seiner Entstehung sogar durch Baumspenden mitgestalten.
Olympiaden gibt es hier heute nicht mehr, dafür Konzerte – die Klänge wehen über Hügel und See, wenn es der Wind gut meint. Den gewagten Dachkonstruktionen der Olympiabauten vorausgegangen war der Bau des Deutschen Pavillons auf der Expo in Montreal 1967. Der deutsche Ingenieur Frei Otto hatte ihn maßgeblich konzipiert . . .

Bayerische Staatszeitung/Bauen – 23.2.18
Vielfältig und zuweilen zwiespältig
Bayerische Baustilkunde – Die Architektur des Wiederaufbaus

Dr. Kaija Voss, München, Neue Maxburg

Ein wenig fällt sie aus der sonst den Lenbachplatz und die Umgebung des Stachus prägenden und eher traditionellen Bebauung heraus: Die Neue Maxburg. Ihr Name erinnert an alte Zeiten, als sich hier die Herzog-Max-Burg, ein Bau der Renaissance aus dem 16. Jahrhundert befand. Vor uns steht ein klar gegliedertes und modernes Ensemble, das soeben einer Architekturzeitung der 1950er Jahre entsprungen zu sein scheint, ein Musterbeispiel für den kompromisslosen Wiederaufbau der Stadt München nach dem Zweiten Weltkrieg.
Die weißen, unterschiedlich hohen Baukörper mit ihren flachen Dächern vereinen ein Justizgebäude mit Amtsgericht und Landgericht München, Erzbischöfliches Ordinariat sowie weitere Büro- und Geschäftsräume. Sie umschließen einen weiträumigen Grünbereich, der mit modernen Kunstwerken, darunter dem Moses-Brunnen (1955) von Josef Henselmann, und Blumenkübeln ausgestattet ist. Die Einzelbauten des Ensembles sind durch Gelenke, in Form von Treppenhäusern und Zugängen, miteinander verbunden . . .

Bayerische Staatszeitung/Bauen – 28.4.17
Monumentaler Neoklassizismus
Bayerische Baustilkunde – Architektur im Nationalsozialismus

Dr. Kaija Voss, München, Musikhochschule, Ehrentempelsockel

Führerbau und NSDAP-Verwaltungsbau am Münchner Königsplatz, Haus der Kunst in der Prinzregentenstraße, Nürnberger Reichparteitagsgelände mit Zeppelinfeld und Kongresshalle: Steinerne Zeitzeugen für ein dunkles Kapitel deutscher Geschichte. Architektur im Nationalsozialismus bedeutet, dass es hier nicht um einheitliche Stilmerkmale oder die epochemachende Handschrift eines genialen Künstlers geht. Die Bezeichnung soll vielmehr verdeutlichen, dass diese Bauwerke im Dienst der nationalsozialistischen Ideologie standen und damit Ausdruck der Nazi-Diktatur sind.
Viele von ihnen, darunter die eingangs genannten Bauten, können mit monumentalem “Neoklassizismus” beschrieben werden, andere, etwa das Olympia-Skistadion in Garmisch-Partenkirchen oder die einstige Reichssiedlung Rudolf Heß in Pullach, gehören zur Heimatschutzarchitektur. Ihre Merkmale sind regionaltypische Bauformen- und Materialien wie Satteldächer oder Holz und Naturstein. Wieder andere Bauten wie Tankstellen und Bunker weisen sogar Elemente der Moderne auf. Dies ist insofern bemerkenswert, als das “Bauhaus” offiziell verboten und moderne Entwürfe bei Auftragsvergaben ignoriert wurden. Die Vertreter der Moderne konnten sich deshalb in Deutschland nicht halten . . .

Dr. Kaija Voss, Wolfratshausen, Schießstättstraße

Das Ensemble steht unter Denkmalschutz
Auch die von 1936 bis 1938 in Wolfratshausen entstandene Wohnsiedlung “Isarleiten” für Angestellte der Sprengstoffwerke von Geretsried, gehört zur Architektur im Nationalsozialismus. Heute steht das zwischen Alpenstraße und Schießstättstraße gelegene Ensemble unter Denkmalschutz. Seine Gestaltung adaptiert regionale historische Bauformen des Voralpenlands: Holzbalkone, asymmetrisch angebrachte Erker, flache Satteldächer, barockisierende Schnitzereien an Fensterläden und Türen sowie imitiertes Giebelbundwerk. Den in der Rüstungsindustrie tätigen Bewohnern wurde eine ländlich-kleinstädtische “Heimatlichkeit” suggeriert, vor dem Hintergrund von Kriegsvorbereitung und Sprengstoffproduktion im Wolfratshauser Forst – eine weitere Facette der Ideologisierung von Architektur. Weiterlesen . . .
Fotos © Dr. Kaija Voss: München, Hochschule für Musik mit Ehrentempelsockel (o.) und Wolfratshausen, Beamtensiedlung Schießstättstraße (u.)

Bayerische Staatszeitung/Bauen – 14.10.16
Geschwungene Gebäudefronten und gläserne Ecken
Baustilkunde – Die klassische Moderne in Bayern

Dr. Kaija Voss, München, Moderne, Amerikanerblock

Nach dem Ersten Weltkrieg hält die Industrialisierung des Bauens nach und nach Einzug. Mit dem farbenfrohen Spiel des Jugendstils ist es jetzt vorbei, in den großen Städten muss die Wohnungsnot gelindert und Stadthygiene – im Kampf gegen Krankheiten wie Tuberkulose – verwirklicht werden. Bauhausgründer Walter Gropius beschwört 1923 den “klaren organischen Bauleib (…) nackt und strahlend aus innerem Gesetz heraus, ohne Lügen und Verspieltheiten, der unsere Welt der Maschinen, Drähte und Schnellfahrzeuge bejaht (…), der seinen Sinn und Zweck aus sich selbst heraus durch die Spannung der Baumassen zueinander funktionell verdeutlicht und alles Entbehrliche abstößt, das die absolute Gestalt des Baus verschleiert“. Ein idealistisches Ziel. Weiterlesen . . .
Foto © Jean Molitor: München, Der Amerikanerblock am Steubenplatz

Bayerische Staatszeitung/Bauen – 20.5.16
Filigrane Brüstungen und goldglitzernde Mosaiken
Baustilkunde – Der Jugendstil in Bayern

Dr. Kaija Voss, Jugendstil in München, Harras

Die Epoche des Jugendstils ist für Architekten, Künstler und Designer eine wichtige Phase auf der Suche nach neuen Formen. Ziel dieser internationalen Bewegung ist die Ablösung vom industriell geprägten Historismus. Kennzeichnend für den Jugendstil ist daher das Experimentieren in nahezu allen Kunstgattungen. Der Wunsch nach dem “Gesamtkunstwerk” als einer Einheit aus Design, Kunst und Architektur bringt viele großartige Schöpfungen hervor, provoziert aber ebenso Widersprüche und Skandale. Trotz vieler Gemeinsamkeiten im künstlerischen Ausdruck ist der Jugendstil, der sich in er kurzen Zeitspanne von etwa 1890 bis 1914 entwickelt, keine homogene Bewegung. Die Tendenz des ausgehenden 19. Jahrhunderts, wonach sich verschiedene Stilrichtungen in Architektur, Dekor, Möbeln und Keramik zu einem eklektizistischen Ganzem im Leben des Bürgertums vereinigen sollten, stellt der Jugendstil ein neues Ideal gegenüber. Weiterlesen . . .
Foto © Dr. Kaija Voss: München, Harras, Drachenmotiv

Bayerische Staatszeitung/Bauen – 7.8.15
Anleihen bei Baustilen vergangener Epochen
Bayerische Baustilkunde – Der Historismus

Dr. Kaija Voss, München, Justizpalast

Türmchen, Erker und Figuren schmücken das Bauwerk, sein Erdgeschoss besteht aus Quadern, zahlreiche Säulchen gliedern die Fassaden, reich ornamentierte Putzflächen stehen im Wettbewerb mit filigraner Fenstersprossung, die Öffnungen sind von Giebeln bekrönt, ein erhabener Bau steht vor unseren Augen – aber nein, wir sind nicht vor Schloss Neuschwanstein, sondern am Münchner Justizpalast. Er wurde 1890 bis 1897 nach Plänen des Münchner Architekten Friedrich von Thiersch erbaut und kann neben der üppig gestalteten Fassade auch noch mit einer modernen 66 Meter hohen Glaskuppel und seinem monumentalen Treppenhaus begeistern. Beiden Bauten, Schloss Neuschwanstein und dem Münchner Justizpalast ist gemeinsam, dass sie zur Architektur des Historismus gehören, einer Architektursprache der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, in der die Baustile längst vergangener Epochen zitiert werden. Weiterlesen . . .
Foto © Pedro J. Pacheco/Wikimedia: München, Justizpalast

Bayerische Staatszeitung/Bauen – 2.4.15
Von der Walhalla zum Pompejanum
Bayerische Baustilkunde – Der Klassizismus

Dr. Kaija Voss, Die Walhalla bei Donaustauf

Ein griechischer Tempel oberhalb des Donautals, inmitten einer Landschaft, die von Ausläufern des Bayerischen Walds geprägt ist, entrückt von allem Alltäglichen, perfekt proportioniert, eine Komposition aus Ebenmaß und Regelhaftigkeit. Gebe es da nicht die riesige Freitreppe, man könnte meinen, das Bauwerk schwebe über der Landschaft, weiß und unnahbar: die Walhalla in Donaustauf, eröffnet 1842. Ein solches Idealbild war es wohl, das der deutsche Archäologe Johann Joachim Winckelmann schon im 18. Jahrhundert mit seiner vielzitierten “edle(n) Einfalt” und “stille(n) Größe” meinte. Er bereitete mit seinen Schriften den Weg für den baulichen Ausdruck einer Epoche, die nach langer Zeit sowohl sakraler als auch höfischer Kapriolen in Barock und Rokoko wieder das rechte Maß finden wollte: den Klassizismus. Der von 1770 bis 1840 zu datierende Klassizismus wird in Malerei und Literatur von der Romantik begleitet. Weiterlesen . . .
Foto © Dr. Kaija Voss: Die Walhalla bei Donaustauf

Bayerische Staatszeitung/Bauen – 20.3.15
Spielerische Leichtigkeit
Bayerische Baustilkunde – Das Rokoko

Dr. Kaija Voss, München, Amalienburg, Nymphenburger Schlosspark

Der kreisrunde Spiegelsaal ist in Hellblau, Weiß und Silber gehalten. Über einem der raumhohen Spiegel hängt lässig ein zartes silbernes Frauenbein mit zugehörigem Füßchen, daneben und darunter winden sich Girlanden aus silbernen Blüten, Blättern und Weintrauben. Auf einem Gesims an der Decke sitzt die zu Bein und Fuß gehörige Dame, unbekleidet, nur mit einem ebenfalls silbernen Faltenwurf bedeckt. Offenbar blickt sie zurück zum Betrachter, vielleicht aber auch zu einer ihrer Gespielinnen, die ebenso locker wie sie auf dem Gesims thronen.
Wir sind im Festsaal der Amalienburg. Vor seinen hohen Rundbogenfenstern liegt der Nymphenburger Schlosspark. Es lohnt sich, sich die Zeit zu nehmen, um weitere Details des überbordend mit Stuckaturen und Schnitzereien dekorierten Raums zu studieren. Da sind Musikinstrumente wie Jagdhörner oder Harfen, silberne Schalen mit Früchten, weitere Jagdmotive, allesamt eingebettet in geschnörkelte Blätter und Ranken. Ein Ornament wiederholt sich permanent und in unterschiedlichen Größen, züngelt die Wände und Decken empor: die muschelförmige “Rocaille”, das prägende und namengebende Ornament für das Rokoko. Weiterlesen . . .

Foto © Dr. Kaija Voss: Amalienburg im Nymphenburger Schlosspark

Bayerische Staatszeitung/Bauen – 18.7.14
Wie geschaffen für das lebensfrohe Bayern
Bayerische Baustilkunde – Der Barock

Dr. Kaija Voss, München, Theatinerkirche

Ein “Himmel von blauer Seide” war es bei Thomas Mann, der sich in München über “den festlichen Plätzen und weißen Säulentempelchen, den antikisierenden Monumenten und Barockkirchen” spannte und im “Sonnendunst” des Frühsommers die Stadt, ihre Bauten, ihre Kunst “leuchten” ließ. In einem Text von Wolfgang Koeppen bietet die Münchner “Theatinerkirche ihre Sandsteinfassade im Abendlicht übersinnlich” dar, die schöne Kuppel wächst “freudig und fromm” aus ihrer Umgebung heraus. Eine Kuppel im Abendlicht, Säulen, Tempelchen, dazu vielleicht ein paar Takte von Antonio Vivaldi, die aus dem Kirchenraum oder am Odeonsplatz erklingen – ein barockes Stück Italien. Und dorthin führt auch der Weg zum Geburtsort des Barock, nämlich nach Rom, unmittelbar in die päpstliche Umgebung. Eine riesige Kuppel, wie wir sie auf der Theatinerkirche sehen, bedeutet bauhistorisch immer eine Geste der Verneigung vor dem Petersdom. Weiterlesen . . .
Foto © Dr. Kaija Voss: München, Theatinerkirche

Bayerische Staatszeitung/Bauen – 14.3.14
Von der Fuggerei zum Antiquarium
Bayerische Baustilkunde – Die Renaissance

Dr. Kaija Voss, Augsburg, Fuggerei

Augsburg, St. Anna. Das ein wenig versteckt liegende Gotteshaus erreicht man über den Annahof, eine Seitengasse der Annastraße. Die Kirche überrascht den Besucher mit einer großen Vielfalt an Baustilen. Man erblickt gotische Sterngewölbe, Stuckierungen im Stil eines leichten, pastelligen Rokoko, klassizistische Einbauten und nicht zuletzt: eine Renaissancekapelle. Hier in St. Anna befindet sich die Fuggereikapelle, die als erster Renaissancebau Deutschlands gilt. Obwohl sie inmitten einer evangelischen Kirche liegt, ist sie bis heute in katholischem Besitz. Vollendet wurde der kleine Bau 1512, etwa 100 Jahre nachdem man in Italien, genauer gesagt in Florenz, mit der riesigen Domkuppel von Santa Maria del Fiore und dem Findelhaus (Ospedale degli Innocenti) des Filippo Brunelleschi die “Wiedergeburt der Antike” feierte. Weiterlesen . . .
Foto © Dr. Kaija Voss: Augsburg, Fuggerei, Finstere Gasse

Bayerische Staatszeitung/Bauen – 4.4.14
Spitzbögen und Giebel
Bayerische Baustilkunde – Die Gotik

Dr. Kaija Voss, Regensburg, Dom

Den “Anblick eines mißgeformten, krausborstigen Ungeheuers” erwartet Johann Wolfgang von Goethe, als er 1773 zum Straßburger Münster geht. Überrascht von dessen “tausend harmonierenden Einzelheiten”, welche ihn mit den “Freuden des Himmels” erfüllten, preist er die “Würde und Herrlichkeit” des Bauwerks, kehrt noch oft staunend zurück und bahnt damit einer positiven Rezeption der bis dahin als “barbarisch” bezeichneten Gotik den Weg. Es war die erste nachmittelalterliche Würdigung der Gotik durch Goethe.
Der Regensburger Dom ist für den Betrachter heute kein “krausborstiges Ungeheuer”, als Hauptwerk der gotischen Architektur in Süddeutschland ist er Höhepunkt der Stadtbesichtigung. Der Steinbau mit den beiden Türmen beherrscht die Stadtsilhouette, seine dominante und dennoch filigrane Architektur entfaltet besonders bei nächtlicher Illumination einen ganz besonderen Reiz. Das Innere des Domes lockt immer wieder mit seinem Detailreichtum, der Besucher durchquert einen steinernen Säulenwald, der selbst nach unzähligen Besuchen Neues entdecken lässt. Weiterlesen . . .

Foto © Dr. Kaija Voss: Regensburg, Dom: BSZ

Bayerische Staatszeitung/Bauen – 6.12.13
Der Rundbogen dominiert
Bayerische Baustilkunde – Die Romanik

Dr. Kaija Voss,  Altenstadt, Kirche

Die Kirche von Altenstadt ist ein ganz besonderer Ort. Wer die Basilika betritt, fühlt sich augenblicklich von einer unvergleichbaren Stille und Schlichtheit umfangen. Sie überrascht den Besucher, der sonst in Bayern eine barocke Motiv- und Formenfülle gewohnt ist, versetzt ihn unversehens in eine tiefe, innere Ruhe. Sein Blick findet an den geraden, erhabenen Bauformen Halt, er kann die schwere, stoische Architektur auf sich wirken lassen, sich sammeln, aus dem lauten Alltag hereintreten in eine kontemplative Welt, sich auf das konzentrieren, was wesentlich ist.
Für den Gläubigen und Kunstsinnigen mag es die überdimensionale romanische Kreuzigungsgruppe mit der archaisch wirkenden Christusfigur sein, die den Raum erfüllt, der “große Gott von Altenstadt”. Für den architektonisch Interessierten mehr die zeitlose, in ihrer Einfachheit überzeugende Konstruktion des Kirchenbaus. Romanik in Bayern – das ist ein ungewöhnliches Erlebnis. Weiterlesen . . .

Foto © Dr. Kaija Voss: Altenstadt, Basilika St. Michael

Bayerische Staatszeitung/Bauen – 11.10.13
Stilreine Bauwerke sind selten
Bayerische Baustilkunde – Von der Romanik bis ins 20. Jahrhundert

Dr. Kaija Voss, München, Ainmillerstraße, Fassaden-Detail

Ein wenig sind die kunsthistorischen Epochen und die zugehörigen Baustile heute in Vergessenheit geraten. Und doch ist es immer eine Freude, sie zu kennen und so Bauwerke und deren Entstehungszeit auf einfache Art zu entschlüsseln, daheim und auf Reisen. Man muss nur genau hinsehen und versuchen, den Bau mit eigenen Kenntnissen einzuordnen. Eine Beschäftigung, die einen immer mehr fesseln kann, da sich, bei fortschreitender Kenntnis, auch Sonderfälle und Widersprüche ergeben. Vollkommen “stilreine” Bauwerke sind nämlich eher selten.
Bei der Analyse geht es, neben der meist ganz offensichtlichen Funktion des Bauwerks, als Kirche, Wohnhaus oder Rathaus, zuerst um die äußeren Merkmale. Die Fassade und der Dachbereich stehen im Fokus: Hat der Bau Rundbögen oder Spitzbögen, ist seine Fassade kompakt oder mit filigranem Dekor ausgestattet? Gibt es Symmetrien, Gesimse und Stuckornamente, ist die Front glatt und industriell geprägt? Weiterlesen . . .

Foto © Dr. Kaija Voss: München, Ainmillerstraße, Jugendstil-Fassade, Detail