Sommer 2017
Vorwort: Von der Romanik bis in die Zukunft
Mehr als tausend Jahre Baugeschichte sind in Gebäuden und Kunstwerken im Landkreis überliefert. Die Geretsrieder Architektur-Historikerin Kaija Voss und SZ-Autoren stellen von heute an in elf Folgen* sie und die Menschen vor, die eine besondere Beziehung zu ihnen haben. Im ersten Teil der neuen Serie geht es um ein fast tausend Jahre altes Monumental-Kruzifix in Schlehdorf. Es folgen täglich Geschichten – über Schlösser und Kirchen, eine Weinstube und auch eine Tankstelle. – Text: SZ 22.8.17
* Es wurden dann 13 Folgen!
1. Folge – 22.8.17 – Romanik
Die ROMANIK gilt als erste große europäische Kunstepoche seit dem Ende der Antike. Sie wird datiert von 950 bis 1250. Eines ihrer wesentlichen Kennzeichen ist der Rundbogen. Bereits die Baumeister im antiken Rom verwendeten gemauerte Rundbögen und Gewölbe, der Begriff “Romanik” zeigt die Verwandtschaft zur römischen Architektur. Ein romanisches Bauwerk wird aus einfachen stereometrischen Formen wie Würfel, Zylinder oder Quader komponiert, man nennt das auch “additives System”. Wichtigster Bautyp bei Kirchen ist die “Basilika”, also eine mehrschiffige Kirche, deren Hauptschiff höher ist als die Seitenschiffe. Das Licht fällt über die oberhalb der Seitenschiffe befindlichen so genannten Obergadenfenster in das Mittelschiff. Als dekorativer Schmuck am Bauwerk dienen Rundbogenfriese, stilisiertes Blattwerk oder Palmettenfriese, den oberen Abschluss von Säulen bilden Würfelkapitelle. – KV
Hohe Symbolkraft kennzeichnet die Kunstwerke
Die Romanik ist für die Zeit von etwa 950 bis um 1200 definiert. Sankt Nantwein in Wolfratshausen ist ein Beispiel.
Die Friedhofskapelle in Schlehdorf
2. Folge – 23.8.17 – Gotik
Die GOTIK datiert in Zeit von 1250 bis 1520. Die Bezeichnung “Gotik” geht auf den italienischen Kunsttheoretiker Giorgio Vasari zurück. Das italienische Wort “gotico” für fremdartig oder barbarisch war zunächst ein Schimpfwort, abgeleitet vom germanischen Volk der Goten. Das französische Schema einer gotischen Kathedrale bleibt zunächst beim basilikalen Aufbau, wie bei der Romanik: hohes Hauptschiff, niedrige Seitenschiffe. Kapellenkränze und große Umgangschöre erweitern den Kirchenraum. Die Bauform einer dreischiffigen Staffelhalle, bei der das Hauptschiff zwar höher ist als die Seitenschiffe, es aber keine Belichtung durch Obergadenfenster wie bei einer Basilika gibt, ist typisch für Stadtkirchen der Spätgotik. Die Gewölbeformen werden dabei immer dekorativer, es gibt Netz-, Stern- oder Schlingrippengewölbe. – KV
Fratzen, Blattmasken und Tölzer Pfleger als Propheten
Die Tölzer Kirche Maria Himmelfahrt wurde 1490 im spätgotischen Stil gebaut. Eine Seltenheit ist ihre historisch enge Nachbarschaft zu Wohnhäusern.
Die Stadtpfarrkirche Maria Himmelfahrt in Bad Tölz
3. Folge – 24.8.17 – Denkmal einer Epoche: Renaissance
Die RENAISSANCE beginnt nach 1400 in Italien. Antike Bauformen, horizontale Gliederungen und ideale Proportionen bestimmen die Bauten. Um 1550 prägte der Künstler Giorgio Vasari den Begriff von “la rinascita”, der “Wiedergeburt”. Gemeint ist das Wiederaufleben antiker und humanistischer Ideen in Gesellschaft, Kunst und Architektur. Das französische Wort “renaissance” wird ab dem 19. Jahrhundert gebraucht. In Deutschland werden zu Beginn des 16. Jahrhunderts die ersten Werke des neuen Stils geschaffen, gedanklich eng verbunden mit dem Aufbruch in der Reformation. Man überwindet langsam die Gotik, wohlhabende Bürger lassen sich Privatkapellen in Kirchen bauen, Burgen werden wohnlicher. Als erster Bau hierzulande gilt die Fuggerkapelle in St. Anna in Augsburg. Vollendet wurde sie 1512, etwa 100 Jahre nachdem man in Florenz mit der riesigen Domkuppel von Santa Maria del Fiore des Filippo Brunelleschi die Wiederauferstehung des römischen Pantheons feierte. Die 1513 erbaute Grablege der Tölzer Pflegerfamilie Winzerer in der dortigen Pfarrkirche Maria Himmelfahrt ist das erste Beispiel für die Renaissance im Landkreis. Im 17. Jahrhundert ist der Stil überall in Deutschland angekommen, in Italien baut man nun barock. – KV
Mit neuem Turm in die Renaissance
Patrizierfamilie Barth verwandelte Trutzburg in Schloss Harmating.
Schloss Harmating in Egling – li.: Kupferstich von Michael Wening um 1700 (Wikimedia), re.: heute
4. Folge – 25.8.17 – Epoche der Pracht: Barock
Der BAROCK datiert in die Zeit von 1575 bis 1720, die folgende Zeit bis 1770 wird als Spätbarock oder Rokoko bezeichnet. Das Wort “Barock” kommt in Form des “barroco” aus dem Portugiesischen und meint ursprünglich Perlen, die ungleichmäßig geformt sind. Die Bezeichnung Barock, die sich auf Musik, Literatur, Gartenkunst, Architektur und Lebensgefühl gleichermaßen bezieht, wird zunächst abwertend, im Sinne von bizarr oder merkwürdig verwendet. Geburtsort des Barock als Kunstform der Gegenreformation ist im ausgehenden 16. Jahrhundert Rom. Die barocke höfische Prachtentfaltung mit opulenten Gartenanlagen nimmt ihren Anfang im 17. Jahrhundert mit Ludwig XIV. in Versailles. Nach dem Dreißigjährigen Krieg entstehen die ersten Barockwerke in Deutschland. Charakteristisch für den Stil ist das Verschmelzen einzelner Kunstgattungen zum Gesamterlebnis, bis hin zu einer bildhaften Erzählung wie bei Kalvarienbergen oder Barockkrippen. Die bis zur Renaissance geordnet nebeneinander stehenden Formen werden jetzt zu einer Einheit verwoben, die Formen kraftvoll überhöht. – KV
Sünder und Sinnlichkeit
Der Barock verbindet die Darstellung von Höllenqualen mit Schönheit und Kraft.
v. li.: Kalvarienberg-Kreuzwegstation und Kalvarienbergkirche in Bad Tölz – Kalvarienberg in Lenggries
5. Folge – 27.8.17 – Meisterwerk des Rokoko
Als europäische Kunstrichtung entwickelt sich das ROKOKO aus Barock und Spätbarock von etwa 1730 bis 1780. Ausgangspunkt ist die höfische Kultur Frankreichs, die dem vorherrschenden monumentalen Barock eine spielerische Leichtigkeit entgegenstellt. In Deutschland finden Rokokomotive auch Eingang in den Kirchenbau. Der Stil prägt vor allem die Innenarchitektur, findet aber auch seinen Ausdruck an Fassaden und in Parkgestaltungen. War der Barock durch strenge Symmetrien geprägt, strebt das Rokoko oft nach Asymmetrie und motivischer Übersteigerung. Ein Ornament wiederholt sich permanent und in unterschiedlichen Größen, züngelt die Wände und Decken empor: die muschelförmige Rocaille, das prägende und namengebende Ornament für das Rokoko. Der Begriff “Rocaille” ist mit zwei französischen Wörtern verwandt, mit dem Wort für Fels (roc) und dem Wort für Muscheln (coquilles). Raumgrenzen verschwinden oder werden neu definiert, Architektur wird zum Erlebnis für alle Sinne – eine Mode, die bald Kritik fand. Die Sehnsucht nach baulicher Ordnung, regelhaften Grundrissen und idealen Entwürfen bricht sich ab der Französischen Revolution Bahn, der Klassizismus beginnt. – KV
Leicht, hell, schwebend
Das anmutige Dietramszeller Kirchlein, das im Jahr 1774 geweiht wurde, gilt heute als eines der schönsten Werke der Epoche in Altbayern.
Die Wallfahrtskirche St. Leonhard in Dietramszell
6. Folge – 28.8.17 – Das Alte Krankenhaus: Klassizismus
Der KLASSIZISMUS beginnt Ende des 18. Jahrhunderts, er endet um 1850. Seine Vorbilder sind die klassische Antike, in erster Linie die Bauten im antiken Griechenland. Die Walhalla in Donaustauf entsteht von 1831 bis 1842 im Stil des Parthenontempels der Athener Akropolis. Auch der Rückgriff auf die römische Antike ist möglich, zum Beispiel auf das Pantheon in Rom. Es wird zum Vorbild für zahllose Kuppeln und Rundbauten, darunter die Befreiungshalle bei Kelheim. Überwiegend sind es jedoch rechteckige Grundrisse, Symmetrien, klare Linien und antike Ornamentik, wie zum Beispiel beim Königsplatz in München. Klassizistische Bauten sollten Kronprinz Ludwig als späterem König von Bayern dazu dienen “Griechen und Römer aus dieser Rasse von Biertrinkern zu machen, die er eines Tages regieren wird”. So äußert sich jedenfalls König Max I. Joseph über seinen Sohn. Das Zitat stammt aus den Erinnerungen Leo von Klenzes, vom Beginn des 19. Jahrhunderts. Wichtige Vertreter des Klassizismus sind in Bayern Carl von Fischer und Leo von Klenze, ebenso Friedrich von Gärtner und Gustav Vorherr, in Preußen Karl Friedrich Schinkel. – KV
Von edler Schlichtheit
Das historische Gebäude an der Sauerlacher Straße in Wolfratshausen ist vermutlich einem Entwurf des bekannten Münchner Architekten Gustav Vorherr nachempfunden.
Das Alte Krankenhaus an der Sauerlacher Straße in Wolfratshausen
7. Folge – 29.8.17 – Historismus – Heimatstil
Sowohl Neogotik als auch Heimatstil sind unter dem Begriff HISTORISMUS zusammenzufassen. Die Neogotik kam am Ende des 18. Jahrhunderts aus England und setzte sich zögerlich gegen den strengen Klassizismus durch. Zunehmend wird die Gotik als eine Art nationaler, vermeintlich “deutscher Baustil” anerkannt, das deutsche Mittelalter und seine Burgen kommen en vogue. Wesentlich beigetragen hatte dazu Goethes Aufsatz “Von deutscher Baukunst” (1773), in dem er die bis dahin verachtete Gotik wertschätzt. Ende des 19. Jahrhunderts zeigt sich ein Stilpluralismus, eine Art Maskenball der Baugeschichte (Nikolaus Pevsner), bei dem Neogotik, Neobarock, Rundbogenstil und Neorenaissance gleichberechtigt nebeneinander stehen. Die Architektur sucht Anleihen in beinahe allen vorangegangenen Stilen. Die Entwicklung gipfelt im Eklektizismus, bei dem unterschiedliche Stile an einem Haus zu finden sind – das klassische Beispiel dafür: Schloss Neuschwanstein. Hintergrund für den Heimatstil ist vor allem die Sehnsucht nach der ‘guten alten Zeit’ einer vorindustriellen Welt. Gerade Ferienorte, Kur- und Bäderanlagen oder Sommervillen im Alpenvorland sollten diese heile Welt zeigen. Mit Schnitzwerk und Malereien versehene Häuser wurden als Zeichen natur- und heimatverbundenen Bauens gefeiert. – KV
Ein besonderes Augenmerk auf die Gemütlichkeit
Die Stube in der Tölzer Marktstraße ist der einzig original erhaltene Gastraum des Münchner Vertreters des Historismus und bayerischen Heimatstils.
Das Fischerschlössl in Ebenhausen und der Marienstift in Bad Tölz
8. Folge – 30.8.17 – Jugendstil-Kirchen
Die Zeit des Jugendstils ist für Architekten, Künstler und Designer eine wichtige Phase auf der Suche nach neuen Formen, ein Experimentieren in nahezu allen Kunstgattungen. Formale Anleihen nimmt der Stil in der Tier- und Pflanzenwelt, auch in der Volkskunst. Ebenso typisch sind geometrische Muster, in denen das Quadrat die wesentliche Rolle spielt. Ziel dieser internationalen Bewegung sind die Ablösung vom Historismus und der Aufbruch in eine neue Zeit. Der Wunsch nach dem “Gesamtkunstwerk” als Einheit aus Design, Kunst und Architektur bringt viele großartige Schöpfungen hervor, provoziert aber Widersprüche und Skandale. Getragen wird der Jugendstil vor allem vom gut situierten, kunstinteressierten Bürgertum, Kunst und Leben sollen miteinander verschmelzen. Die von 1896 bis 1940 in München erscheinende Zeitschrift “Jugend” wird in Deutschland zur Namensgeberin für den neuen Stil. Trotz vieler Gemeinsamkeiten im künstlerischen Ausdruck ist der Jugendstil, der sich in der kurzen Zeit von ca. 1890 bis 1914 entwickelt, keine homogene Bewegung. Der Ausbruch des Ersten Weltkriegs bedeutet sein Ende. – KV
Asymmetrie mit Blüten und Schnecken
Die Architektur im Jugendstil wendet sich vom Historismus ab. Die Kochler Kirche zitiert dennoch den Barock – womöglich als Zugeständnis an die Katholiken.
Die evangelische Kirche in Kochel a. See
9. Folge – 31.8.17 – Klare Linien mit Kompromissen: Klassische Moderne
Die architektonische MODERNE der 1920er/1930er Jahre, die auch als “Neues Bauen”, “Neue Sachlichkeit”, “Funktionalismus” oder “Bauhausarchitektur” bezeichnet wird, möchte mit der Bautradition vergangener Jahrhunderte brechen. Priorität hat mehr und mehr die Industrialisierung des Bauens. Gestalterisch setzen der Verzicht auf Ornamentik, Flachdächer, geschwungene Gebäudefronten und großzügige Verglasungen neue Akzente. Licht und Luft sollen in die Innenräume gelangen, ein Aspekt gesunden Wohnens. Die Form der Bauten soll sich aus ihrer Funktion ergeben, nach dem Motto des amerikanischen Architekten Louis Sullivan: “form follows function”. Die sogenannte gläserne Ecke, die sich manchmal nur als um die Ecke verlaufendes Fenster zeigt, ist ein Markenzeichen jener Zeit. Dem Bauwerk die Schwere zu nehmen, es leicht und schwebend, mobil statt immobil zu machen, war ein wichtiges Ziel der Moderne – in Abgrenzung von bisherigen Werken der Baukunst, wie dem griechischen Tempel oder dem Renaissancepalast. – KV
Fensterbänder, die an Züge erinnern
Der Bauhaus-Stil wird im Voralpenland mit Traditionellem vermählt. Ein Beispiel ist das Ferienheim für Arbeiter in Kochel.
Das ehem. “Ferienheim für Arbeiter, Beamte und Angestellte von Staat und Gemeinden” in Kochel a. See
10. Folge – 1.9.17 – Baustil der NS-Zeit: Architektur im Nationalsozialismus
In der Auseinandersetzung mit den Bauten, die in Deutschland in der Zeit von 1933 bis 1945 entstanden sind, hat sich der Begriff “ARCHITEKTUR IM NATIONALSOZIALISMUS” durchgesetzt. Er bezeichnet einen Stilpluralismus, der sowohl realisierte Bauten als auch gigantische städtebauliche Planungen betrifft, die nicht umgesetzt wurden. Berlin, München, Nürnberg, Hamburg und Linz sollten zu “Führerstädten” mit übergeordneten Funktionen werden: Berlin zur “Welthauptstadt Germania”, München zur “Hauptstadt der nationalsozialistischen Bewegung”. Einzelnen Stilen kam im Nationalsozialismus eine bestimmte ideologische Funktion zu. Neoklassizistische Monumentalarchitektur diente der staatlichen Repräsentation, Heimatschutzarchitektur für Siedlungsbau, Jugendherbergen oder Sportstätten. Ihre Merkmale sind regionaltypische Bauformen- und Materialien wie Satteldächer oder Holz und Naturstein. Bauten wie Tankstellen, Bunker oder andere Bauten der Kriegsvorbereitung weisen Elemente der Moderne und eine hohe Funktionalität auf. Dies ist insofern bemerkenswert, als das Bauhaus offiziell verboten und moderne Entwürfe bei sonstigen Auftragsvergaben ignoriert wurden. – KV
Heimatlichkeit vor dem Hintergrund der Kriegsvorbereitung
Die Siedlungen Isarleiten und Föhrenwald beherbergten Angestellte und Arbeiter der Rüstungsproduktion im Wolfratshauser Forst.
In der Schießstättstraße in Wolfratshausen: “Werkswohnhäuser” der ehemaligen Siedlung “Isarleiten”
11. Folge – 3.9.17 – Die Architektur knüpft ans Bauhaus an: Wiederaufbau 1950er Jahre
Die Amerikaner als Besatzer, Helfer und Freunde prägen die “Swinging Fifties”, im nahe gelegenen München sind sie besonders präsent. Hier entsteht im Rahmen des Wiederaufbaus eine radikal moderne Architektur. Nichts soll mehr an die Heimatschutzarchitektur der Nationalsozialisten erinnern. Ein Wiederaufbau historischer Bauten, wie er letztlich vielfach realisiert wird, denkt man nur an die Alte Pinakothek oder die Münchner Residenz, war zunächst für viele Architekten unakzeptabel. Jetzt bot sich die Gelegenheit zum Aufbau einer modernen offenen Gesellschaft. Man knüpft an die Bauhaus-Moderne an, baut industriell, leicht und schnell. Von 1950 bis 1952 wird das Wohnhochhaus an der Theresienstraße von Sep Ruf erbaut, 1953–57 das Justizgebäude der Herzog-Max-Burg von Sep Ruf und Theo Pabst, 1953–55 die Kirche St. Matthäus am Sendlinger Tor von Gustav Gsaenger und 1957 das Amerika-Haus am Karolinenplatz von Karl Fischer und Franz Simm. In den ersten Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg fanden in zahlreichen deutschen Städten Bauausstellungen statt, um das neue vorbildhafte Bauen zu präsentieren. – KV
Der Boom der Nachkriegsjahre
Die Architektur knüpft nach dem Zweiten Weltkrieg an die Bauhaus-Ästhetik an. Stahlbeton ist der neue Baustoff. In dieser Zeit entstehen das neue Fall oder die Christkönigkirche in Penzberg.
Die Christkönigkirche in Penzberg, die ehemalige Tankstelle in Benediktbeuern, heute ein Obst- und Gemüseladen,
und die Kirche Maria Königin in Fall
12. Folge – 4.9.17 – Als “Hundehütte” geschmäht: 1960er/70er Jahre
Während die Fünfziger Jahre für den Aufbruch in ein neues Deutschland stehen, verbindet man die Architektur der nächsten Jahrzehnte häufig mit Betonklötzen, ideenlosem Bauen und unsensiblen Architekten. Vielleicht ist es einfach so, dass, um einen Stil wertzuschätzen, ein zeitlicher Abstand vorliegen muss. Vielen Baustilen erging es so, dass sie zu ihrer Zeit keine Anerkennung fanden und manchmal erst in den nachfolgenden Jahrhunderten gefeiert wurden. Die Bauten der 1960er/1970er Jahre rücken momentan langsam in den Fokus der Architekturgeschichte, sogar in den der Denkmalpflege. Nicht nur bei Kirchenbauten zeigten sich sehr innovative und wegweisende Ideen: Auch das Zeltdach des Münchner Olympiastadions (1967–72) von Behnisch & Partner, Fritz Auer und Frei Otto sowie die gesamte Konzeption des Olympiageländes mit seinem “demokratischen Grün” gehen auf diese Zeit zurück. Wichtiges Stichwort für die stilistische Einordnung ist der Begriff der “Nachkriegsmoderne”, die einen Ausläufer der Klassischen Moderne darstellt und sie am Ende der 1970er dann in der “Postmoderne” überwindet. Mit ihr kommen Formenvielfalt und Ornamentik in das Bauen zurück, nach dem Motto “anything goes”. Bestes Münchner Beispiel dafür ist die Neue Pinakothek (1975–81) von Alexander Freiherr von Branca. – KV
Angeeckt
Architekt Franz Lichtblau hat die Petrus- und die Versöhnungskirche in Geretsried entworfen. Die ersten Reaktionen waren abweisend.
Die Petruskirche mit “Himmelsleiter” und die Versöhnungskirche in Geretsried
13. Folge – 5.9.17 – Attraktive Museumsbauten: Bauen nach 2000
Architektonischer Stilpluralismus ist auch im 21. Jahrhundert en vogue. (Fast) alles ist baubar, (fast) alles machbar geworden, Computertechnik und Industrie sei Dank. Ob es sinnvoll ist und auch genehmigt wird, ist eine andere Frage. Zeitgenössische Architektur hat unendlich viele Facetten, stilistische wie funktionelle, konstruktive wie qualitative und natürlich soziale. Eine der wichtigsten aktuellen Architekturströmungen ist wohl noch immer der so genannte Dekonstruktivismus. An Bauten im Alpenvorland dazu mangelt es, so geht der Blick kurz nach München: Beispielhaft der Anbau an die Akademie der Künste (2003) in der Akademiestraße und die BMW-Welt (2007) – und das obwohl die Architektengruppe COOP Himmelb(l)au nicht mehr zu den Dekonstruktivisten gerechnet werden will. Neben Neubauten nimmt das Thema einer gelungenen Verbindung von “Alt und Neu” einen immer größeren Raum ein, denn die modernen Anforderungen an die Bauten steigen, seien es die thermische Qualität oder der Brandschutz. Und in Bezug auf den historischen Bestand gilt bis heute der einfache Satz des Passauer Fotografen und Kabarettisten Rudolf Klaffenböck: “Wenn etwas weg ist, ist es nicht mehr da.” Da hilft auch die modernste Bautechnik nicht. – KV
Der Bilbao-Effekt
Wie die baskische Stadt haben auch Kochel am See und Penzberg eine Aufwertung erfahren.
Das Franz Marc Museum in Kochel a. See und das Stadtmuseum in Penzberg